
Die Sicherung von Museen gegen Diebstahl und Einbruch ist eine komplexe Aufgabe, die zahlreiche fachliche und organisatorische Aspekte umfasst. Gerade in letzter Zeit haben spektakuläre Vorfälle die Dringlichkeit des Themas unterstrichen. Dieser Ratgeber fasst wesentliche Empfehlungen zusammen, damit Museen – in enger Zusammenarbeit mit ihren Trägern oder externen Sicherheitsdienstleistern – wirksame Schutzmaßnahmen entwickeln und umsetzen können.
1. Bedeutung des Diebstahlschutzes im Museum
Museen bewahren wertvolle Kulturgüter, die zum Teil einen unschätzbaren ideellen, kulturhistorischen oder auch materiellen Wert haben. Der öffentliche Auftrag lautet, diese Sammlungen für kommende Generationen zu erhalten und sie gleichzeitig der Gesellschaft zugänglich zu machen. Doch je offener ein Museum sich präsentiert, desto wichtiger ist ein aktiver, durchdachter Schutz gegen Diebstahl und Einbruch.
1.1 Verschiedene Formen des Diebstahls
-
Einbruch (außerhalb der Öffnungszeiten): Täter*innen verwenden auch schwere Werkzeuge und setzen teils professionelle Technik ein.
-
Diebstahl während der Öffnungszeit: Objekte können trotz Personal vor Ort entwendet werden – oft geschieht das besonders schnell und unauffällig.
-
Raub (Diebstahl unter Androhung von Gewalt): Eher selten, aber wenn, dann mit hohem Gefährdungspotenzial für Personal und Besucher*innen.
-
Interner Diebstahl: Auch langjährige Mitarbeiter*innen oder Dienstleister können sich vergehen. Sorgfältige Zugangs- und Schlüsselkontrollen sind daher unerlässlich.
2. Risikomanagement als Grundlage
Ein erfolgreiches Sicherheitskonzept erfordert eine systematische Herangehensweise. Hierfür hat sich das Risikomanagement bewährt:
-
Gefährdungsanalyse
-
Welche Teile der Sammlung sind besonders wertvoll oder leicht zu entwenden?
-
Welche Gebäude- oder Raumöffnungen sind potenzielle Schwachstellen?
-
-
Schutzziele definieren
-
Soll vor allem die Wegnahme einzelner Schlüsselobjekte verhindert werden?
-
Muss das gesamte Haus gegen organisierte Banden geschützt sein?
-
Welche Sicherheitsklasse erfordert der Versicherer?
-
-
Planung passender Maßnahmen
-
Baulich-mechanisch (z. B. einbruchhemmende Fenster und Türen, Vitrinensicherung)
-
Technisch (z. B. Alarmanlagen, Videoüberwachung)
-
Organisatorisch-personell (z. B. Schulungen, klare Zuständigkeiten, Notfallpläne)
-
-
Regelmäßige Überprüfung und Anpassung
-
Neue Täterstrategien, geänderte Ausstellungsplanung oder Umbauten machen eine Anpassung notwendig.
-
Auch die Technik wird immer ausgefeilter: Alarmanlagensensorik, moderne Videoanalytik etc.
-
Grundsätzlich gilt: Jedes Museum hat eigene Gegebenheiten, weshalb es keine Patentlösung gibt. Wichtig ist, dass die jeweiligen Maßnahmen im Sicherheitskonzept sinnvoll ineinandergreifen.
3. Bauliche und mechanische Sicherungsmaßnahmen
3.1 Gebäudehülle und Außenbereich
-
Ein umzäuntes Außengelände, gut ausgeleuchtete Fassaden und sorgfältig gesicherte Dachöffnungen erschweren das Eindringen.
-
Bei Neubauten sollten Sicherheitsaspekte von Anfang an eingeplant werden (etwa einbruchhemmende Fensterkonstruktionen nach DIN-Norm bzw. VdS-Richtlinien).
-
Bei denkmalgeschützten Gebäuden frühzeitig die zuständigen Behörden einbeziehen, um Lösungen zu finden, die Denkmalschutz und Sicherheit vereinen.
3.2 Türen und Fenster
-
Einbruchhemmende Türen, Fensterelemente und Schlösser sind essenziell.
-
Zusätzliche Gitter oder Panzerglas können bei besonders schützenswerten Objekten sinnvoll sein.
-
Lüftungsschächte dürfen keine Schlupflöcher bieten (z. B. durch stabilen Gitterrost mit zertifizierten Verschraubungen).
3.3 Ausstellungsbereiche und Magazine
-
Bei sehr wertvollen Objekten: mechanische Fixierung an Sockeln, Wand oder Vitrinenboden, sodass ein rasches Wegnehmen erschwert wird.
-
Zertifizierte Wertschutzräume (z. B. Magazine mit definierten Sicherheitsklassen) für die Lagerung hochempfindlicher oder besonders wertvoller Objekte.
4. Technische Sicherungsmaßnahmen
4.1 Einbruchmeldeanlagen (EMA)
-
Sie informieren über einen Einbruchsversuch, bevor die mechanischen Barrieren überwunden sind.
-
Wichtig: Aufschaltung bei Polizei oder Sicherheitsdienst (mindestens zwei getrennte Signalwege).
-
Falschalarme minimieren, indem die Anlage fachgerecht geplant, installiert und regelmäßig gewartet wird.
4.2 Videoüberwachung
-
Dient als „verlängertes Auge“ und kann bei professioneller Auswertung (Videobewegungsanalyse) verdächtige Situationen sofort melden.
-
Im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sind deutliche Hinweise auf Videoaufzeichnung erforderlich.
-
Videotechnik allein ersetzt kein Wachpersonal, kann aber entscheidende Unterstützung leisten (z. B. bei gerichtsfester Dokumentation).
4.3 Zutrittskontrollen
-
Elektronische Schließsysteme mit Protokollierung helfen, unbefugtes Betreten sensibler Bereiche zu verhindern.
-
Schlüsselverwaltung: Eine klare Regelung, wer Zugang zu welchen Räumlichkeiten hat, ist unabdingbar.
5. Organisatorische und personelle Maßnahmen
5.1 Sicherheitskonzept und feste Zuständigkeiten
-
Jede Institution braucht ein schriftliches Sicherheitskonzept, das Gefährdungsanalyse, Maßnahmenkatalog und Verhaltensrichtlinien bei Verdacht oder Alarm festlegt.
-
Einen Sicherheitsbeauftragten benennen, der bzw. die direkt der Museumsleitung unterstellt ist und die Koordination aller Schritte übernimmt.
5.2 Wachpersonal, Aufsichten und Schulungen
-
Wach- und Aufsichtspersonal ist häufig die erste und wichtigste Sicherheitsbarriere.
-
Externe Sicherheitsfirmen sollten zertifiziert sein und je nach Sensibilität des Hauses vorab auf Zuverlässigkeit geprüft werden.
-
Schulungen zu Alarmprozeduren, Evakuierung und Kommunikation mit Besuchenden sind Pflicht – auch für festangestellte Mitarbeiterinnen (zum Beispiel Kassenteam, Restauratorinnen, Pädagogik).
5.3 Klare Ablaufpläne für Notfälle
-
Wer alarmiert wen?
-
Wie wird der Tatort gesichert, bis Polizei und gegebenenfalls Versicherer eintreffen?
-
Wie kommuniziert man nach außen? Ein abgestimmter Kommunikationsplan mit Trägern, Versicherungen und Pressestellen vermeidet Spekulationen.
5.4 Inventarisierung und Dokumentation
-
Eine möglichst vollständige Inventarliste – idealerweise digital und mit Fotos – ist für die Schadensabwicklung, aber auch für die Fahndung unerlässlich.
-
Bei außergewöhnlichen Objekten lohnt ein Eintrag im Art Loss Register (ALR), um im Fall eines Diebstahls deren Wiedererkennung zu erleichtern.
6. Kontinuierliche Verbesserung und Vernetzung
6.1 Fachlicher Austausch
-
Regelmäßige Treffen zwischen Museumsleitung, Sicherheitsbeauftragten und Restaurator*innen erleichtern die Abstimmung.
-
Austausch mit anderen Museen oder Fachgruppen (z. B. Arbeitskreis Gebäudemanagement und Sicherheit beim Deutschen Museumsbund) bringt neue Perspektiven und aktuelle Informationen.
6.2 Zusammenarbeit mit Behörden
-
Die (kriminal-)polizeilichen Beratungsstellen bieten kostenlose Schwachstellenanalysen und Praxistipps.
-
Notfallverbünde (lokale oder regionale Zusammenschlüsse von Museen, Archiven, Bibliotheken) helfen sich gegenseitig bei Krisen – und tauschen Wissen aus.
6.3 Regelmäßige Audits und Wartungen
-
Sicherheitsanlagen sollten jährlich überprüft werden, idealerweise noch häufiger.
-
Ein Live-Test der Alarmanlage unter realistischen Bedingungen deckt Schwachstellen auf.
-
Bauliche Veränderungen, Um- oder Anbauten dürfen nicht zu neuen Einfallstoren werden.
7. Beispielszenario für einen Einbruch – was tun?
-
Alarm geht ein
-
Sicherheitsbeauftragte*r oder externe Wachfirma wird informiert.
-
Polizei wird unverzüglich verständigt.
-
-
Gebäude sichern
-
Niemand außer autorisierten Personen (Polizei, Sicherheitsdienst, Museumsleitung) darf das Gebäude betreten, um den Tatort zu schützen.
-
-
Dokumentation
-
Erstbestandsaufnahme des Schadens (zerstörte Türen/Fenster, entwendete Objekte).
-
Fotos machen, Protokoll anfertigen, Versicherung informieren.
-
-
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
-
Klare, abgestimmte Kommunikation, um Spekulationen zu vermeiden.
-
Nur befugte Personen geben Auskunft (ggf. Museumsleitung, Pressesprecher*in).
-
-
Nachbereitung
-
Analyse, wie es zum Einbruch kam. Welche Maßnahmen müssen verstärkt werden?
-
Offen kommunizieren, auch gegenüber anderen Häusern.
-
8. Praxistipps kompakt
-
Selbst-Check durchführen: Mithilfe kostenfreier Tools wie dem SicherheitsLeitfaden Kulturgut (SiLK) der Konferenz Nationaler Kultureinrichtungen.
-
Inventarisierung und Bewertung: Nur wer den Wert und Standort seiner Objekte genau kennt, kann adäquat schützen.
-
Sicherheitskonzept erstellen: Enthält klare Ziele, Maßnahmenmix und definierte Verantwortlichkeiten.
-
Mechanik vor Elektronik: Türen, Fenster, Vitrinen mechanisch sichern, damit Täter aufgehalten und frühzeitig entdeckt werden.
-
Organisationsregeln: Schlüsselmanagement, Verhaltensrichtlinien für Mitarbeitende, Alarmpläne – und regelmäßiges Training.
-
Verlässliches Personal: Gute Schulung, eindeutige Kompetenzen und Zuständigkeiten.
-
Auf dem Laufenden bleiben: Technik, Tätermethoden und rechtliche Rahmenbedingungen ändern sich ständig.
9. Weiterführende Informationsquellen
-
Deutscher Museumsbund e. V.: Arbeitskreis Gebäudemanagement und Sicherheit
(www.museumsbund.de/fachgruppen-und-arbeitskreise/arbeitskreis-gebaeudemanagement-sicherheit) -
SicherheitsLeitfaden Kulturgut (SiLK), Konferenz Nationaler Kultureinrichtungen
(www.konferenz-kultur.de/SLF/index1.php) -
VdS-Richtlinien (u. a. VdS 3511 „Sicherungsrichtlinien für Museen und Ausstellungshäuser“)
(www.shop.vds.de) -
(Kriminal-)Polizeiliche Beratungsstellen für kostenfreie Vor-Ort-Analysen
(die Kontaktdaten finden sich meist über lokale Polizeidienststellen) -
Art Loss Register: Datenbank für gestohlene Kunstwerke
(www.artloss.com)
Sicherheit im Museum ist nicht statisch, sondern ein steter Prozess. Indem bauliche, technische sowie organisatorisch-personelle Maßnahmen intelligent verknüpft werden, lässt sich das Risiko von Diebstahl und Einbruch erheblich verringern. Ein professionelles Risikomanagement, regelmäßige Fortbildungen und der überregionale Austausch mit Fachleuten sind dabei genauso wichtig wie eine enge Abstimmung mit dem Träger und den zuständigen Behörden.
Auf diese Weise können Museen ihren Kernauftrag erfüllen – das langfristige Bewahren und Zugänglichmachen unserer kulturellen Schätze – ohne ihre Offenheit für Besucher*innen zu verlieren.